VdA / ICA - 27.11.2013

International Council on Archives Annual Conference 2014: Accountability, Transparency and Access to Information

Der Vorstand des ICA bei der Mitgliederversammlung am 23. November 2013 (v.l.n.r.): Henri Zuber, stellvertr. Präsident und Leiter der Programmkommission (Frankreich), David Leitch, Geschäftsführer (Großbritannien), Martin Berendse, Präsident (Niederlande), Andreas Kellerhals, stellvertr. Präsident und Schatzmeister (Schweiz). Foto: B. Post

Fulda / Brüssel (ein Kurzbericht von Bernhard Post). Erstmals versammelten sich vom 23. bis 24. November 2013 die Mitglieder des Internationalen Archivrats (ICA) gemäß den neuen Statuten zur Jahreskonferenz in Brüssel.

Nicht mehr länger beschränkt auf Nationalarchivare (Forum of National Archivists - FAN) und Verbandsfunktionäre, standen die Sitzungen allen ICA Mitgliedern offen; und mehr als 500 Kolleginnen und Kollegen aus über 100 Ländern nahmen teil. In der Vollversammlung wurden die angekündigten Änderungen der Geschäftsordnung sowie die neuen Gebührensätze einstimmig bzw. mit wenigen Enthaltungen angenommen.

Bei der Tagung standen die Herausforderungen der digitalen Welt an die Archive einmal mehr im Zentrum der Erörterungen. Alle 12 bis 18 Monate verdoppelt sich derzeit die Menge der weltweit gespeicherten elektronischen Daten. Und um abschließende Feststellung des ICA-Präsidenten Martin Berendse gleich vorwegzunehmen: Fast alle Archive weltweit betreiben mittlerweile eigentlich zwei Institutionen, ein traditionell analoges und ein in seiner Bedeutung sprunghaft wachsendes digitales Archiv. Dieser Verdoppelung der Aufgaben stehen in der Regel jedoch eher Budget-Kürzungen gegenüber. Während man sich in Europa gerade einmal bemüht, mit der Einrichtung digitalen Archiven den Anforderungen des e-Government (bis 2017 in vielen europäischen Ländern gesetzlicher Standard) gerecht zu werden, nimmt Australien bereits das mobile-Government in Angriff. Mit speziellen Apps erledigen dort die Bürger über das Handy die Behördengänge und provozieren Verwaltungshandeln, dass es zu dokumentieren gilt. Born digitals im Netz werden demnächst vermutlich eine Diskussion wegen der möglichen Verknüpfbarkeit der Daten auslösen. „Open Data Movement“ stellt die Archive zusätzlich vor Bewertungs- und Speicherungsprobleme kaum übersehbaren Ausmaßes. Die Authentizität der hier präsentierten Daten selbst sowie die Qualität der Metadaten sind weitere Probleme. Lakonisch stellte Erich Ketelaar (Niederlande) fest, es sei eben traditionell die Anforderung an den Archivarsberuf, „to deal with confusion“.

FAN will künftig in Fragen wie Gesetzgebung, Copyright, und Sicherung von Authentizität von Daten gemeinsam stärker als bisher weltweit als Speerspitze der Archive gegenüber Politik und Wirtschaft auftreten.

Ein weiters Thema war der gescheiterte Entwurf der EU für eine neue Datenschutzrichtlinie. Mehr als 51 000 Protestunterschriften von Archivaren, Wissenschaftlern und Bürgern zwangen zur Rücknahme des Entwurfs, der im Sinne des Datenschutzes „ein Recht auf Vergessen“ unter anderem dadurch sichern sollte, personenbezogene Daten künftig nach Aufgabenerfüllung bei den Behörden zeitnah zu löschen. Die Konsequenzen hatte man dabei nicht bedacht: Das tägliche Archivars-Geschäft, wie etwa Arbeitszeitnachweise für die Rentenberechnungen, wäre nicht mehr möglich. Aber auch generationsübergreifende Studien zur Ursachenforschung von Alzheimer können nach der intendierten Löschung von Medizinaldaten nicht mehr durchgeführt werden. Die Archive haben ihren verantwortungsvollen Umgang mit Daten längst unter Beweis gestellt. Die in Europa weitgehend verbindlichen Schutzfristen (30 J. Sachakten/100 J. nach Geburt bei personenbezogenen Daten) haben sich bewährt. Und eine Datenvernichtung beschneidet nicht nur Rechte derjenigen Menschen, die eben nicht vergessen werden wollen, sondern beeinträchtigt grundsätzlich die Rechte des „citoyen“ auf Information, worauf der französische Verband nochmals nachdrücklich hinwies. Der belgische Datenschützer Willem Debeuckelaere bezeichnete „respektvoll“ verwaltete Daten sogar als „treasury of democracy“. Der Entwurf wird nun neu beraten und soll voraussichtlich erst 2015 nach der EU zur Entscheidung kommen.

Nachdem der ursprüngliche Tagungsort Rio de Janeiro vor eineinhalb Jahren abgesagt wurde, gilt die Hochachtung den belgischen Kollegen, die einsprangen und so kurzfristig zusammen mit dem ICA-Sekretariat eine ausgezeichnete Tagung organisierten. Da in Brüssel 1910 die erste internationale Archivtagung überhaupt stattfand, können sie dabei allerdings auf eine stolze Erfahrung verweisen.

Die Beiträge der Tagung sind demnächst über die ICA-Homepage sowie in der Zeitschrift „Comma“ nachzulesen. Der nächste Tagungsort der Jahreskonferenz des ICA wird vom 11. bis 15. Oktober 2014 Girona (Spanien) zum Thema „Archive und die Kulturindustrie“ sein. (http://www.girona.cat/web/ica2014/eng/ica.php).