63. Thüringischer Archivtag 2017 im Rahmen des Gemeinsamen Landesarchivtags Sachsen-Anhalt und Thüringen in Halle (Saale)

Bericht über den Gemeinsamen Landesarchivtag Sachsen-Anhalt und Thüringen am 29. und 30. März 2017 in Halle (Saale)
von Dr. Jens Riederer

Aus Anlass des weltweit gefeierten 500. Reformationsjubiläums entstand die Idee eines gemeinsamen Archivtags der Landesverbände zweier Kernländer der Reformation – der heutigen Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen. Als historisch inspiriertes Thema wurde „Archivquellen für eine moderne Regionalgeschichte“ gewählt. Damit reagierten die Vorstände auf eine gemeinsame Erfahrung der letzten Jahre, wonach sich die traditionelle Verbindung der Geschichtswissenschaft zum Archivwesen spürbar gelockert hat. Der seit etwa 200 Jahren genuine Zusammenhang von archivischen Quellen und wissenschaftlicher Forschung ist nicht mehr selbstverständlich. Für nicht wenige gerade der neuen Kulturhistoriker*innen scheint ein Archivbesuch nicht mehr zwingend. In Sorge darüber suchte der gemeinsame Archivtag nach Wegen, um Archive attraktiver zu präsentieren, nicht allein für die Forschung, sondern für Benutzung jeglicher Art.

Der Privatdozent Dr. Stefan Gerber von der Forschungsstelle für Neuere Regionalgeschichte Thüringens an der Friedrich-Schiller-Universität Jena umriss in seinem Eröffnungsvortrag gängige Konzeptionen von Regional- und Landesgeschichte und wie sie das wissenschaftliche Interesse an Archivalien lenken und beeinflussen. Danach lenkte Dr. Jens Riederer (Stadtarchiv Weimar) den Blick auf sog. Selbstzeugnisse wie Autobiografien, Briefe, Tagebücher u.a.. Internetportale gelten aktuell als Hauptforen, um Archivalien einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So folgten nicht zufällig zwei Vorträge, die sich Portalen unterschiedlicher Ausrichtung und Funktion widmeten. Zuerst stellte Vicky Rothe (Historisches Seminar der Universität Leipzig) das „Digi-Ref-Projekt“ vor, das „Digitale Archiv der Reformation“. Michael Lörzer von der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena stellte mit dem „Digitalen Archiv Thüringen“ die älteste und größte Sammelplattform historischer Quellen im Freistaat vor.

Über das im Aufbau befindliche „Elektronische Archiv Sachsen-Anhalt“ berichtete Dr. Detlev Heiden (Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Abt. Magdeburg). Aus Thüringer Sicht ist von besonderem Interesse, dass dieses staatliche Projekt so angelegt wird, dass es künftig auch kommunalen Nutzern gegen ein entsprechendes Entgelt offen steht. Den ersten Tagungstag rundeten zwei sehr gut besuchte Workshops ab. Frau Dr. Ursula Hartwieg informierte über die an der Staatsbibliothek zu Berlin angesiedelten „Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts“ (KEK). Frau Dr. Katja Deinhardt (Landesarchiv Thüringen-Hauptstaatsarchiv Weimar) und Richard Lange (Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Abt. Magdeburg) teilten sich den zweiten Workshop über das Bundesprogramm zur Sicherungsverfilmung von Archivalien. Den zweiten Tagungstag eröffnete wieder ein geschichtswissenschaftlicher Vortrag. Prof. Dr. Manfred Hettling vom Institut für Geschichte der ortsansässigen Martin-Luther-Universität referierte über den Beitrag der Archive zu einer modernen Regionalgeschichte. Frau Dr. Thekla Kluttig (Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig) stellte die heutige Familiengeschichtsforschung zwischen Quellenarbeit und Big Data vor. Anders als viele Archivar*innen glauben ist die „Gilde der Genealogen“ sehr „technikaffin“ und nutzt intensiv die Innovationen der Mediengesellschaft. Dabei findet auch eine Verschiebung der Interessen statt - weg von möglichst vollständigen und weit zurückreichenden „Stammbäumen“, hin zu Familienrekonstruktionen mit Schwerpunkt auf das 19. und 20. Jahrhundert. Dazu passend schloss sich der Erlebnisbericht des freiberuflichen Genealogen Daniel Riecke (Generalagentur für Genealogie GbR Magdeburg) an.

Zum Abschluss des Archivtages präsentierte Dr. Andreas Christoph (Ernst-Haeckel-Haus der Friedrich-Schiller-Universität Jena) sein sehr innovatives „Kartenarchiv Plus“ (www.kartenarchivplus.de). Das Projekt stellt sich das Ziel, die in vielen Archiven, aber auch Museen und Bibliotheken „schlummernden“ geographisch-kartografischen Materialen zu erfassen. Die vorbildliche Organisation des Archivtags lag in den Händen der Anhalter Kolleginnen und Kollegen, dafür gebührt dem Vorstand des Landesverbandes Sachsen-Anhalt unter der Leitung von Ralf Jacob (Stadtarchiv Halle) ein sehr herzlicher Dank. Die Teilnahme von insgesamt 129 Kollegen*innen - darunter zu fast gleichen Teilen aus Sachsen-Anhalt (62) und Thüringen (58) - bestätigt, dass die Wahl des Themas nicht ganz verfehlt war.

PROGRAMM