VdA - 26.08.2024

CALL FOR PAPERS

92. Deutscher Archivtag 2025 in Fulda

 

Fulda. Der 92. Deutsche Archivtag 2025 wird vom 7. bis 9. Oktober 2025 in Fulda stattfinden. Der Gesamtvorstand hat sich für das folgende Rahmenthema entschieden:

DIGITALISATE IM ARCHIV. POSITIONEN - PROZESSE - PERSPEKTIVEN

Die Transformation ins Digitale beschäftigt die Archive seit Langem in vielfältiger Weise. Auch der Deutsche Archivtag 2025 widmet sich einem Teilbereich dieser Transformation: der Erstellung, Nutzung und Erhaltung von „Digitalisaten“, also digitaler Reproduktionen von analogem Archivgut aller Art. Archivtheorie und -praxis sind aktuell stark auf die Archivierung von digital entstandenen Unterlagen konzentriert, doch auch der Vorgang des Scannens zieht komplexe Fragestellungen nach sich, die eine fachliche Diskussion verdienen. Denn Archive haben vielfältige Herausforderungen bezüglich rechtlicher Rahmenbedingungen, technischer Modalitäten, neuer, ggf. maschineller Nutzungsmethoden, veränderter Erschließungsvorgänge oder gar der „Ersatz“-Digitalisierung als Mittel der Überlieferungsbildung zu meistern. Erbeten werden Beiträge zu den unten gelisteten Themenbereichen. Grundsatzbeiträge sind ebenso von Interesse wie Werkstattberichte. Ausdrücklich sind auch Beiträge zu negativen Erfahrungen und Fehlschlägen erwünscht, die Kolleg/-innen in ähnlichen Situationen als Entscheidungshilfe dienen können.

Wichtiger Hinweis: Die untergliederten Bereiche sind nicht als Sektionen zu verstehen, sondern dienen lediglich der Präzisierung des Tagungsthemas. Die eingereichten Beiträge können aus organisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt zu Veranstaltungsabschnitten gruppiert werden. Dies ermöglicht auch, mit verschiedenen Formaten eine abwechslungsreiche und vielschichtig informative Tagung zu konzipieren.

 

Digitalisierungsstrategien

Benutzer/-innen erwarten in zunehmendem Maße, auch analoges Archivgut digital einsehen und auswerten zu können. Dieser Erwartungshaltung versuchen Archive gerecht zu werden, indem sie vermehrt Archivgut digitalisieren. Doch welche Strategien sollten dabei verfolgt werden? Sollen besser ganze Bestände digitalisiert werden oder ist es zielführender, Archivgut „on demand“ aufgrund von Nutzerwünschen zu digitalisieren? Welche Ressourcen müssen dafür jeweils eingeplant werden? Im Fall der Digitalisierung ganzer Bestände: Nach welchen Kriterien werden die Bestände ausgewählt? Ist es die historische oder überregionale Bedeutung, wie oft in Förderlinien formuliert, eine zu erwartende hohe Nutzungsfrequenz oder wird damit gar auf Forderungen aus Politik und Gesellschaft eingegangen? Und wie beeinflusst die Auswahl des Archivguts das Bild, dass sich Forschung und Öffentlichkeit von historischen Ereignissen machen?

 

Rechtsfragen der Digitalisierung

Die Digitalisierung von Archivgut wirft vielfältige rechtliche Fragestellungen auf. Dabei liegt die Problematik in der Regel nicht in der Erstellung oder Sicherung von Reproduktionen, sondern in den Formen der Weiternutzung. Während bei einer analogen Nutzung im Lesesaal durch Schutzfristenregelungen Rechtssicherheit besteht, stellen sich bei einer digitalen Nutzung unter Umständen weitergehende Fragen des Persönlichkeits- und des Urheberrechts. Wie erfolgt eine kontrollierte Benutzung urheberrechtlich geschützten Materials an Terminals im Lesesaal? Wo bestehen Erfahrungen mit dem Betrieb virtueller Lesesäle mit rechtskonformer Zugangsverwaltung? Nach welchen Kriterien entscheiden Archive über einen freien Onlinezugang, welche Policy verfolgen sie? Sind bereits Archive aktiv geworden, um die neuen Möglichkeiten einer weitergehenden Verbreitung von Werken zu nutzen, die das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz von 2018 und die Nicht-verfügbare-Werke-Verordnung von 2023 eröffnet haben? Doch auch die inzwischen weithin in Lesesälen akzeptierte Reproduktion durch die Nutzer/-innen selbst wirft neue Fragen auf: Entstehen neue datenschutzrechtliche Problematiken, wenn Nutzer/-innen Reproduktionen durch eine cloudbasierte App steuern und dort zum Beispiel Werkzeuge zur Texterkennung oder Übersetzung anwenden, die Inhalte maschinell verarbeiten und speichern?

 

Digitalisierung und Technik

Digitalisieren ist nicht nur die bloße Ablichtung eines analogen Gegenstands. Vielmehr sind damit zahlreiche technische Fragen verbunden. Sollte etwa Archivgut ausschließlich mit Aufsichtsscannern digitalisiert werden oder können insbesondere bei jüngeren Unterlagen auch Durchlaufscanner eingesetzt werden? In welchem Umfang müssen die Unterlagen vorbereitet werden? Welche technischen und manuellen Methoden können eingesetzt werden, um die vollständige und technisch einwandfreie Digitalisierung zu garantieren? Wie ist dabei das Verhältnis von Aufwand und Fehlertoleranz? Sind die Formate TIFF und JPEG immer noch der Stand der Technik oder ist hier ein Umdenken notwendig? Und welche Anforderungen stellen Nutzer/-innen an Digitalisate? Erfüllen reine Bilddateien noch den Nutzungszweck, wenn komplexe Such- und Auswertungsmöglichkeiten oder Volltext Recherchierbarkeit benötigt werden? Und wie kann der Zugang zu den Digitalisaten gestaltet werden? Welche Lösungen gibt es bei der Bereitstellung für weniger gut ausgestattete Archive? Und zuletzt: Auf welche Weise können Digitalisate langfristig erhalten werden? Welche technischen Parameter sollten unter dem Haltbarkeitsaspekt unbedingt beim Scanprozess berücksichtigt werden? Sind Digitalisate ein Fall für das Digitale Langzeitarchiv, oder können sie auch in finanziell und energetisch günstigeren Speichersystemen aufbewahrt werden? Und ist die Digitalisierung ein einmaliger Vorgang oder ist zu erwarten, dass Unterlagen in bestimmten Fällen mittelfristig erneut digitalisiert werden müssen, zum Beispiel wegen technischer Neuerungen, Instabilität von Dateiformaten oder neuer Benutzererwartungen?

 

Digitalisierung und Erschließung

Während Archive lange primär über die Verzeichnungstiefe diskutiert haben, stellen sich mit der Digitalisierung neue Fragen an die Erschließungspraxis. Auf der einen Seite eröffnet die automatische Text- und Handschriftenerkennung eine neue Ebene der Erschließung: Wenn Volltextausgaben möglich sind, liegt dann nicht bereits eine Recherchetiefe vor, die eine eigene Tiefenerschließung in den Archivinformationssystemen obsolet erscheinen lässt? Und ersetzen Repräsentationen von visuellen Medien wie Fotos oder Karten möglicherweise aufwändige textbasierte Erschließungen oder finden Möglichkeiten der Bilderkennung ggf. bereits Anwendung? Auf der anderen Seite macht die Digitalisierung neue Formen tiefer Erschließung notwendig: Metadaten müssen für jedes Digitalisat bis auf Seitenebene verfügbar sein, sie können mit beschreibenden Daten weiter angereichert werden. Teilakten, Aktenabschnitte, Vorgänge und Seiten können verzeichnungsrelevant werden. Erst durch eine Anreicherung mit Normdaten oder Geoinformationen können die Digitalisate verknüpft und gefunden werden. Welche Systeme sind in Archiven im Einsatz, welche Aufwände sind gerechtfertigt und wie werden Digitalisate im Netz gesucht und gefunden?

 

Digitalisierung und Bestandserhaltung

Jahrzehntelang galt die Mikroverfilmung als Mittel der Wahl, um Archivgut vor Abnutzung zu schützen oder einen Ersatz für den Fall zu schaffen, dass es aufgrund von (Natur-)Katastrophen oder Zerfallsprozessen gänzlich verlorengeht. Endet nun die Ära des Mikrofilms endgültig und tritt die Digitalisierung vollständig an dessen Stelle? Und welche Konsequenzen hat ein solcher Wechsel für die verschiedenen Zwecke, die mit der Mikroverfilmung verfolgt wurden?

Ein Thema, das vor allem in den letzten beiden Jahren für Kontroversen in der Archivwelt geführt hat, ist das Verhältnis von Originalerhalt und Digitalisierung. Der unbedingte Erhalt des Originals ist ein Paradigma, das Archive über Jahrzehnte hinweg vertreten und in Konflikten vehement verteidigt haben. Findet nun ein Paradigmenwechsel statt, der auch international diskutiert wird? Sollen Archive von Zerfall bedrohte Unterlagen digitalisieren und anschließend keine aktiven Maßnahmen mehr zu ihrem Erhalt ergreifen oder sollte der Originalerhalt weiterhin im Zentrum der archivischen Strategien stehen? Oder kann es ggf. je nach Art und Zustand der Unterlagen unterschiedliche Herangehensweisen geben, und was sind dann dafür die Kriterien?

Ihre Vorschläge senden Sie mit dem Betreff „Call for Papers Deutscher Archivtag 2025“ bitte an die E-Mail-Adresse info@vda.archiv.net.

Einsendeschluss ist der 31. Oktober 2024.

Wir freuen uns über eine breite Resonanz!

Ralf Jacob, Vorsitzender
und die Mitglieder des Programmausschusses Dr. Maria von Loewenich, Dr. Johannes Rosenplänter und Dr. Kristina Starkloff